Ein Wintertag in meiner Kindheit.
Vater steht um 6 Uhr auf, im Sommer um 5 Uhr und macht Feuer. Zuerst im Herd in der Küche, dann im Ofen für die Stubn. Anschließend geht er in den Stall und beginnt mit dem Füttern der zwei Kühe. Mutter melkt sie später. Inzwischen ist auch Mutter aufgestanden. Sie kocht den Malzkaffee und richtet für die Kleinsten die Flascherl mit Milch. Dann füllt sie zwei Waschschüssel mit warmem Wasser und bringt sie in die Stube auf die Ofenbank, richtet Kleider und Schuhe für die drei oder vier die bereits zur Schule müssen. Vater hat inzwischen die Größeren aufgeweckt. Ich habe heute noch seinen eiligen Schritt in den Ohren, wenn er die Treppe in die Kammer oder oberen Stubn rauf kam. Mutter achtet, daß auch alle kommen und sich in der bereits warmen Stube waschen und anziehen. Zähneputzen kannten wir damals noch nicht.
Inzwischen hat Mutter auf dem Tisch die Kaffeetassen gefüllt und Brot zum Einbrocken geschnitten. Die größeren der Kinder mußten vor der Schule noch in die Kirche gehen. Für die Pause bekamen wir ein Stück Margarinebrot mit. Obst hatten wir kaum. Zum Kaufen war kein Geld da. Zeitweise hatten wir nur zwei Schulranzen. Ein Teil mußte die Schiefertafel mit der Federbüx, eventuell noch ein Heft dazu, offen tragen. Die Schulbücher mußten alle Kinder aushalten. Die Eltern mußten sie ja selbst kaufen!
Inzwischen haben sich die ganz Kleinen im Schlafzimmer der Eltern gerührt. Sie werden von Mutter gewickelt und Sie hat zwischendurch die Stube wieder in Ordnung gebracht.
Vater ist in die Wagner-Werkstatt gegangen, hat dort den Ofen angeheizt, manchmal Schnee geräumt und dazwischen das Weiterfüttern und Ausmisten der Kühe besorgt. Erst dann blieb Zeit für das Kaffeessen, so sagten wir.
Das Kleinste wurde von Mutter nach dem Wickeln in den hochrädrigen Kinderwagen gelegt der in der Stube stand. Gab es keine Ruh, wurde der Wagen mittels einer langen Schnur von einem Größeren hin und her geschubst. Für die Schweine kam ein großer Topf mit Kartoffel auf den Herd. Sobald sie gekocht waren wurde etwas Kleie dazu getan, durchgemischt und in zwei Eimern von Mutter in den Schweinestall getragen und dort den Tieren in den Barren geschüttet. Als nächstes kam der Windeltopf auf den Herd. Es wird Zeit das Mittagessen für zehn Leute vorzubereiten. Nachheizen, damals mit Holz, nicht vergessen!
Von der Werkstatt her hört man Maschinen laufen, Vater arbeitet jetzt dort. Unser Abort stand außerhalb des Hauses über der Mistgrube. Im Winter haben wir dort sehr gefroren. Die Jüngsten durften zu ihrem Geschäftl in den warmen Stall gehen. Mutter durfte sie aber dabei nicht aus den Augen lassen.
Das Kochen war viel umständlicher wie heute. Kartoffel gab es bei uns alle Tage. Mittags meist als Salat, abends gestampft mit einer Milchsuppe dazu. War die Schule aus, kamen hungrige Kinder heim. Sie jeden Tag satt zu bringen war die schwerste Aufgabe unserer Eltern. Suppe gab es alle Tage, viel Mehlspeisen, wenig Fleisch, Fisch überhaupt nicht. Wie wir schon zu zwölft waren, mußte an zwei Tischen gegessen werden. Das Besteck war in der Schublade des großen Tisches. Alles Essen mußte von der Küche über einen langen Gang in die Stube getragen werden. Mutter war immer auf den Beinen. Vater half dazu, später auch die größeren Mädchen. Vor und nach dem Essen wurde gebetet. Nachmittags drei Uhr gab es eine Brotzeit.
Walli erzählt mir, jeden Samstag wurde der Holzfußboden in der Stube naß geschrubbt. Sie weiß noch, weil sie und Marie manchmal reintappten, Leni sie beide abrupt packte und auf den Tisch setzte, wo sie, bis der Boden trocken war, bleiben mußten.
Nach dem Abendessen kamen die kleineren Geschwister gleich ins Bett. Die Größeren machten noch Spiele oder hatten etwas zu lesen bis es für sie auch Zeit war. Manchmal wurden auch noch Hausaufgaben gemacht, da tagsüber bei dem einen Raum keine Ruhe war. Ansonsten hatte dies bei Tageslicht zu geschehen. Vater ging nach den Stallarbeiten und dem Abendessen noch einige Stunden in die Werkstatt. Die Schweine und auch Stallhasen waren noch bei Tageslicht gefüttert worden. Dort gab es kein elektrisches Licht. Gegen 10 Uhr gingen auch die Eltern zu Bett in der Hoffnung, daß die Kleinsten nachts Ruhe geben.
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Erinnerungen an Weihnachten.
Kindheit
Der brennende Christbaum im Hausgang unseres Heimathauses nach Öffnung der Stubentür durch Vater ist mir sowie allen meinen neun Geschwistern die bleibendste Erinnerung an den hl. Abend der Kinderzeit. Mutter hatte tagsüber den Baum in der elterlichen Schlafkammer geschmückt. Am Abend, als wir schon alle zusammen auf das Christkind in der Stube warteten, läutete erst ein Glöcklein. Man hörte wie die Haustür ging. Die Spannung war groß. Wir Kinder mußten aber noch mit Vater zusammen ein Vaterunser beten. So, sagte er, ich glaube das Christkind ist jetzt dagewesen und öffnete die Stubentür. Der Baum stand im Gang auf einem Tisch. Darunter lagen die Geschenke, die von Mutter verteilt wurden. Die Jüngsten mußte Vater an der Hand halten. Teils aus etwas Angst bei ihnen, aber hauptsächlich, daß sie nicht überrumpelt wurden, wenn alles in Richtung Christbaum stürzte. War das eine Freude! Jeder hatte etwas bekommen. Die Kleinen Spielsachen, die Mutter oder Vater selbst gemacht oder wieder hergerichtet hatten, die Größeren meist Dinge zum Anziehen, die man zum Kauf auf Weihnachten verschob, oftmals auch Sachen für die Schule. Die größeren Kinder hatten für die Eltern und manchmal füreinander etwas bereit. Meist Gestricktes oder Gehäkeltes oder eine andere Kleinigkeit.
Meine erste Erinnerung, es muß Mitte der zwanziger Jahre gewesen sein, ist an ein Malbuch. Das Christkind hatte aber die dazugehörigen Malstifte vergessen. Ich bekam sie erst ein paar Tage später
Die Zeiten Anfang der dreißiger Jahre waren schlecht. Ich entsinne mich, es war vor Weihnachten, Mutter konnte, da kein Mehl da war, keine Plätzchen backen. Geld zum kaufen hatte sie auch nicht. Da wurde ich als der Größte mit dem Rucksack zur Egglmühle geschickt. Vater getraute sich nicht mehr hin, denn er war mit einigen Zentnern Weizen, für die er bereits Mehl bekommen hatte und das längst verbraucht war, im Rückstand. Den Weizen hätte er von Bauern bekommen sollen die auch nicht zahlen konnten. Der Müllergeselle, der mich erst etwas ausfragte und ein herzensguter Mann war, gab mir einSäckchen voll auf borg.
Die Plätzchen die Mutter buk waren immer ganz einfache. Zutaten für bessere konnte sie nicht kaufen. Ich erinnere mich, dass es kurz vor dem2. Weltkrieg war, dass es erstmals Kokus- und Eisplätzchen gab. Ein Teil der Plätzchen wurde auf den Baum gehängt. Die Tante Paulina aus Nürnberg brachte uns in den schlechten Zeiten oftmals Spielzeug und gebrauchte Kleider von ihren Kindern, oder auch Sachen die sie für uns von fremden Leuten bekam. Vieles davon bekamen wir erst zum Christkind. Mir ist da ein Brettspiel und ein Projektionsapparat allerdings ohne Beleuchtung in Erinnerung.
Jugend - 1938
Ich war, um meine Gesellenprüfung als Wagner zu machen, seit Juli in einer Karosseriebau-Werkstätte in Nürnberg beschäftigt, Toni als Schmiedlehrling in Spalt, Anni bei Uhlers. Wir taten uns zusammen und kauften den Eltern eine Regulator-Uhr als Christkindl. Mutter hatte sich schon lange eine andere Uhr für die Wohnstube gewünscht. Die alte mit den zwei Tannenzapfen als Gewichte, die oft bis zum Spuckkasten runter hingen, war schon recht schäbig geworden. Sie haben sich arg darüber gefreut.
Von Weihnachten der Jahre 1939 und 1940 ist mir nichts mehr in Erinnerung. Seit Sept. 39 war ich bei der Bahn in München und ab 40 in Aßling.
Soldat
Am 4.2.1941 wurde ich zur Wehrmacht eingezogen. Der Rußlandfeldzug begann im Juni des gleichen Jahres und ich befand mich an Weihnachten in Charkow in der Ukraine. Als besonderes Weihnachtsgeschenk gab es einen Wecken Brot. Wegen Nachschubschwierigkeiten hatten wir 4 Wochen keines gehabt. Wir lebten, später sollte es noch sehr viel schlimmer werden, von Konserven, gefrorenen Kartoffeln und Dörrgemüse.
Im Nov. 1942 bekam ich als Soldat erstmals 3 Wochen Heimaturlaub. Am 16.Dez. mußte ich wieder zurück zur Front. Arnold August, ein Nachbarsohn, der bei der gleichen Division und auch auf Urlaub war, fährt mit. Wir sollten nach Woronesch am Don. Die Fahrt zurück hat drei Tage länger gedauert, da der Zug bei Minsk auf eine Mine fuhr und umgeleitet werden mußte. Am Hl. Abend war ich bei der Kompanie. Die anschließende Weihnachtsfeier im Kameradenkreis ist mir von allen Kriegsweihnachten am besten in der Erinnerung geblieben. Fast die Hälfte dieser Kameraden ist 4 Wochen später bei den Rückzügen im Zusammenhang mit der Einkesselung von Stalingrad gefallen oder erfroren. Ende Mai 1943 in der Gegend von Poltawa bekomme ich Fleckfieber (Typus). Erfreuliches Ergebnis, ich bin nicht mehr kv und komme in die Heimat.
Vom Aug. bis Nov. 1943 bin ich in Augsburg bei einer Nachrichten Ersatzabteilung. Zum Hopfenzupfen habe ich 3 Wochen Ernteurlaub bekommen. Ich entsinne mich, daß Vater mit dem Gewehr zur Streife eingeteilt war. Warum? Vielleicht gegen mögliche Partisanen.
Von einem Genesungsurlaub zurück nach Augsburg, werde ich Anfang Dez. nach Nancy ins besetzte Frankreich versetzt. Dort feierte ich Weihnachten allerdings im Kreis wieder fremder Kameraden. Der Wildschweinbraten am Christtag ist mir in Erinnerung. Vom Jan. bis zur Landung der Engländer im Aug. 1944 waren wir an der Riviera, der Mittelmeerküste Frankreichs.
Hitlers Eifeloffensive im Dez. des gleichen Jahres zwang unsere Einheit wieder zum Einsatz. An den Weihnachtstagen bereits in Luxemburg, hatte der Gegner uns schon gestoppt. Wir lagen unter starkem Artilleriefeuer der Amerikaner. Irgendwo habe ich sogar einen stark demolierten Christbaum gesehen. Später habe ich erfahren, daß Michl auch dort dabei war. Unser Cousin, der Börschlein Franz, ist dort gefallen, und liegt auf einem Soldatenfriedhof, ich glaube Lebach im Saargebiet, begraben.
Aus meinen Notizen von damals ersehe ich, daß ich hl. Abend an Mutter geschrieben habe. Vater scheint zu dieser Zeit im Sanatorium Haustein gewesen zu sein.
Der Krieg ging dem Ende zu. Der Rückzug, kämpfend quer durch Deutschland, brachte unsere Einheit als Westfront noch bis in die CSR. Dort gerieten wir am 9.5.1945 in Amerikanische Gefangenschaft. Am 23.5. des gleichen Monats war ich bereits Zuhause. Meine 3 Brüder waren schon da.
Eisenbahner
Am 15.Juli 1945 nahm ich wieder meinen Dienst bei der Eisenbahn auf. Zur Einarbeitung kam ich nach Georgensgmünd, später auch nach Mühlstetten. Da immer mehr Flüchtlinge aus dem Osten, darunter viele Eisenbahner kamen, mußte ich zu meiner Heimat-Direktion München zurück. Am 1.11. kam ich als Fahrdienstleiter wieder an meinen alten Bahnhof Aßling.
In diesem Jahr konnte ich nach 5 Jahren Fort sein wieder in Weingarten zusammen mit den Eltern und allen 9 Geschwistern, Weihnachten begehen.
Leider war es der letzte hl. Abend, an dem unsere Familie vollständig war. Ein Jahr darauf hatten Anni und Toni schon geheiratet.
Trotz der Notzeit war in uns allen ein großes Glücksgefühl, da wir doch den schrecklichen Krieg ohne gesundheitliche Schäden überstanden hatten, und wieder Friede auf Erden war.
Nach dem Essen und der Bescherung beteten .wir den freudenreichen Rosenkranz. Jemand las die Lauretanische Litanei. Wir antworteten "bitt für uns". Vater saß schon neben dem Kachelofen. Seine Krankheit hatte ihm bereits arg zugesetzt und wir hatten Angst um ihn. Ende Juli 1946 mußte er in die Lungenheilstätte nach Georgensgmünd.
Weihnachten hatte ich hl. Abend Dienst. Den 1. Feiertag, gleich nach dem Nachtdienst bin ich losgefahren und war gegen 14 Uhr daheim. Auch Vater, schon todkrank durfte auf ein paar Tage heim. Im Stübla hatte Mutter Ihm ein Bett gerichtet. Ich weiß noch, Mutter hatte von irgendwoher ein Gockerl ergattert und es für Vater gebacken. Er hat es fast nicht angerührt. Es waren traurige Tage. Als ich wieder fahren mußte, war er, entgegen sonstigem Abschied nehmen schon sehr teilnahmslos. Es war das letztemal, daß ich meinen lieben Vater lebend sah.
Am 13.Jan. 1947 ist er gestorben.
Auch am Heiligen Abend des nächsten Jahres hatte ich in Aßling Nachtdienst. Ich wohnte damals beim Bhf.-Vorsteher Schiele in Untermiete. In der Bahnhofs-Wirtschaft Dichtl konnte ich (brauchte da nur die Kartoffelbezugsmarke abgeben), Mittag- und Abendessen. Als ich zwischen zwei Zügen einmal vom Bahnhof schnell zur Wirtschaft runter lief, überraschte ich den Knecht Alois als er gerade in der Küche Schnaps brannte. Ein Stamperl war mir sicher. Am andern Tag bin ich wieder heimgefahren, schon Mutter wegen. Mir ist aber, wie auch im nächsten Jahr 1948 als wir bereits die DM hatten und wieder was dafür kaufen konnten, nichts mehr in Erinnerung.
Weihnachten 1949 weiß ich wieder. Ich hatte über die Feiertage Urlaub bekommen. Ich kannte bereits Rosi. Wir haben uns in diesen Tagen gegenseitig Briefe geschrieben. Für mich war es der letzte Hl. Abend im Elternhaus.
Im Aug. 1950 haben wir geheiratet und wohnten bis über Weihnachten/ Neujahr bei den Schwiegereltern in Aßling. Ein kleines Christbäumchen im eigenen Hausstand und zusammen sein dürfen mit dem geliebten Partner war die Erfüllung unserer damaligen Wünsche. Aber schon im Gerhard, unser Ältester, geboren. Meine Schwester Paula, die schon Novizin war , besuchte uns kurz nach Weihnachten. Ein Foto im Album zeigt sie mit uns zusammen unterm Christbaum.
In Zukunft konnte ich Hl. Abend bis zur Heirat von der Tochter Elfriede im Jahr 1975 immer mit meiner Familie, es waren inzwischen 4 Kinder geworden, zusammen sein, ab 1973 sogar im eigenen Haus in Ostermünchen.
Wir feierten ungefähr immer nach dem Schema meines Elternhauses. 1976 ist Rosi, 1977 Sohn Toni gestorben. 1978 habe ich wieder geheiratet. All die Jahre habe ich am hl. Abend auf den ½ 4 Uhr Zug geschaut und manchmal erzählt, daß ich mit ihm zur Feier in Weingarten noch zurechtkommen würde. Meine Gedanken waren immer dort.
Pensionist
Heute, mit meiner Frau Marie zusammen, sind wir an diesem Tag immer bei der in Rosenheim verheirateten Tochter Paula, ihrem Mann und den 2 Mädeln als Gäste gern gesehen.
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