Schätze unserer Kirche
Kirchenführung in St. Michael zu Großweingarten
„Franken ist wie ein Zauberschrank, immer neue Schubfächer tun sich auf und zeigen glänzende Kleinodien und das hat kein Ende. Nur muss der Beschauer seine Augen öffnen, wenn er sie genießen will.“
Zitat Immermann aus Franken
1. Baugeschichte unserer Kirche
Wann die erste Kirche auf dem Michelsberg erbaut wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Alle Michaelskirchen sind allerdings uralt und gehen ins frühe Mittelalter, vielleicht sogar in die vorkarolingische Zeit zurück.
Auf der Sonnenseite des Michelsberges, also der von Spalt abgewandten Seite, bauten die Mönche des Spalter Klosters Sankt Salvator (dieses ist seit 810 nachweisbar) Wein an. Es liegt nahe, dass die in den Weinbergen tätigen Knechte den täglichen Weg über den Berg und wieder zurück bald leid wurden und sich auf dem Bergrücken ansiedelten. Irgendwann werden sich die Siedler des inmitten der Weinstöcke entstandenen und folgerichtig „Weingarten“ genannten Dörfleins eine eigene Kirche gebaut haben, wohl zunächst ein Holzbau. Der erste Steinbau entstand Mitte des 13. Jahrhunderts (also etwa ein halbes Jahrhundert vor der ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes im Jahr 1294) im spätromanischen Stil. Von diesem ersten Kirchenbau ist der Altarraum mit seinem imposanten Kreuzgewölbe bis heute erhalten. Es ist die Sakristei im Turmuntergeschoß unserer heutigen Kirche, das mit Sicherheit älteste noch existierende von Menschenhand errichtete Bauwerk in unserem Dorf. Die weiteren baulichen Veränderungen an der Kirche wurden im gerade aktuellen Kunststil durchgeführt.
Das Dörflein Weingarten wuchs im Lauf der Jahrhunderte, so dass das romanische Kirchlein zu klein wurde. 1493 erfolgte der Neubau der Kirche im spätgotischen Stil. Im bisherigen Hauptschiff entstand ein neuer großer Chorraum und das Hauptschiff schloss sich daran in etwa im Grundriss der heutigen Kirche.
1797 wurde der Turm oberhalb der Sakristei neu erbaut nach dem Vorbild der Kirchtürme der Spalter St. Nikolauskirche.
1822/23 wurde die Kirche an der Südseite (Portalseite) um einige Meter verlängert und das Kirchenschiff erhöht. Damals erhielt die Kirche ihr heutiges Aussehen.
Es erfolgten Renovierungen in den Jahren 1845 und 1856 (damals sogar mit einer neuen Altarweihe), sowie in den 50iger Jahren des 20. Jahrhunderts und zuletzt 2006 unter Pfarrer Erich Schredl, damals wiederum abgeschlossen mit einer Altarweihe.
2. Glocken
Unsere St.-Michaels-Kirche verfügt über vier Glocken in ihrem Kirchturm. Die beiden großen Glocken aus Bronze stammen aus dem Jahr 1591, somit aus der ausgehenden Renaissance. Ihr Schöpfer hat sich mit einer Mahnung in der Umschrift beider Glocken verewigt: „Christof glockengieser zu nurnberg gos mich gottes wort bleibt ewig glaub dem that wirst selig“.
Die dritte Glocke wurde im spätbarocken Jahr 1747 von Christian Arnoldt aus Dinkelsbühl gefertigt und trägt die in dieses absolutistische Zeitalter passende martialische Umschrift „S MICHAEL DEFENDE NOS IN PRAELIO ANNO MDCCXLVII“ (Hl. Michael, stehe uns bei im Kampfe, 1747).
Viel schöner ist die Widmung in der kleinen im Freien hängenden Glocke (sog. Laterne) aus dem Jahr 1852, also der Hochblüte der Romantik: „AVE STELLA MATUTINA“ (Sei gegrüßt, du Morgenstern).
Im ersten Weltkrieg waren die beiden großen und die Laternenglocke ausgewählt, eingeschmolzen und zu todbringenden Waffen und Munition umgeformt zu werden. Glücklicherweise verhinderte das Kriegsende im Herbst 1918 die Verwirklichung dieser Pläne.
3. Altäre, Deckengemälde, Beichtstuhl
Der Haupt- und die beiden Seitenaltäre sind jeweils ein Steinaltar mit einem Reliquiengrab. Sie wurden 1819 mit einer damals hochmodernen klassizistischen Holzverkleidung versehen. Die Bilder in den Altären wurden damals in Ansbach gefertigt. Der Seitenaltar auf der Frauenseite hat zentral ein Gemälde der Heiligen Familie. Auf der Männerseite hängt im Seitenaltar ein Gemälde über die Verkündigung Mariens durch einen Engel. Das Bildnis des Erzengels Michael im Hochaltar wurde Mitte der 50iger Jahre des letzten Jahrhunderts gegen eine Statue des Erzengels in Siegerpose ausgetauscht.
Im Chorraum befindet sich ein 1855 aus weißlackiertem Holz gefertigter Beichtstuhl, der aber seit dem 2. Vatikanischen Konzil nicht mehr benutzt wird. Damals wurde ein moderner Beichtstuhl in die Portalseite gestellt. Dieser wurde während der letzten Renovierung 2006 entfernt. Seither kann die Beichte in der Sakristei an einem schwenkbaren Beichtgitter abgelegt werden.
Eine Kanzel befand sich an der Ostseite des Hauptschiffes. Sie wurde nach den Bestimmungen des 2. Vatikanischen Konzils nicht mehr benutzt und sonach aus der Kirche entfernt. Das gleiche Schicksal ereilte das Kommuniongitter als Abtrennung des Chorraumes zum Hauptschiff. Es sollte so die strikte Trennung zwischen dem aktiven Zelebranten und den passiv im Hauptschiff verweilenden Gläubigen aufgehoben und so die aktive Einbindung der Gläubigen in die Gottesdienstfeier ermöglicht werden. Der Priester sollte nicht länger „von oben herab“, sondern auf gleicher Ebene zur Gemeinde predigen.
Im Hauptschiff befinden sich drei Deckengemälde, die 1897 vom Kirchenmaler Sebastian Wirsching geschaffen wurden. Die Gemälde zeigen die Vertreibung aus dem Paradies, die Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis sowie die Geburt Jesu in Bethlehem. Alle drei Werke beschreiben also biblische Szenen, in denen Engel eine besondere Schlüsselrolle spielten.
4. Kunstwerke in der Kirche
Wie bereits erwähnt, dominiert den Hochaltar eine Statue des den Satan besiegenden Erzengels Michaels. Er wird umrahmt von zwei Statuen des Heiligen Katharina (entstanden um 1490 im gotischen Kunststil) sowie der Heiligen Walburga (entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil). Zwei Reliquienbehälter, sog. „Hierotheken“, wunderschöne Holzschnitzarbeiten aus dem Rokoko (2. Hälfte des 18. Jahrhunderts) zieren ebenfalls den Hochaltar.
Links im Chorraum hängt eine Ewig-Licht-Ampel, entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts. Rechts im Chorraum über dem Saktisteieingang hängt ein großes spätbarockes Kreuz mit Corpus, darunter eine Mater dolorosa aus dem frühen 18. Jahrhundert. Am Übergang zwischen Chorraum und Hauptschiff hängt eine Rosenkranzmadonna an der Decke, die ebenfalls im frühen 18. Jahrhundert, also im Spätbarock, entstanden ist.
Die beiden Seitenaltäre zieren je zwei kleine Engelsfiguren aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der Hochblüte des Rokoko. Am Seitenaltar der Frauenseite hat neuerdings wieder (wie bereits um 1950) eine typische Lourdes-Madonna Platz gefunden, deren genaues Alter und Herkunft nicht bekannt sind. Sie dürfte allerdings in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Kirche gekommen sein, vermutlich als Spende oder Einlösung eines Gelübdes. Die Statue wurde in früherer Zeit an den Prozessionen mitgeführt. Bei einer nicht mehr bekannten Gelegenheit kam sie wohl zu Schaden und wurde in mehrere Teile zerbrochen auf den Dachboden der Kirche verbracht. Stukkateur Meister Erwin Wechsler aus Großweingarten nahm sich 2013 der Fragmente an und restaurierte die Madonna, die dann erstmals zur ersten feierliche Maiandacht 2013 den Maialtar zierte.
An der Wand der Frauenseite hängt ein Bilderrelief, das den Tod Mariens darstellt. Dieses gotische Kunstwerk aus dem Jahr 1460 ist das älteste Kunstwerk in der Kirche. Wie bei allen anderen älteren Werken ist auch hier nicht bekannt, welcher Künstler das Werk geschaffen hat und wann es in unsere Kirche gelangte.
In der Kanzelgrotte auf der Männerseite steht seit 2006 eine wunderschöne Muttergottesstatue aus der Renaissancezeit (vor der Renovierung 2006 hatte sie ihren Platz neben dem Seitenaltar auf der Frauenseite). Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Kirche in Großweingarten vom Spalter Kaplan Sixtus Peuerl betreut, einem Bruder des berühmten Spalter Geistlichen Wolfgang Agricola. Sixtus Peuerl spendete im Jahr 1582 der Großweingarter Kirche einen Altar, dessen zentraler Bestandteil eben diese Statue der Muttergottes gewesen ist. Beim letzten großen Umbau der Kirche 1823 wurde dieser Altar durch den noch noch heute vorhandenen klassizistischen Altar ersetzt. Von dem alten Altar blieb nur noch die Madonna übrig, die durch die nächsten Jahrzehnte hindurch neben der Tür zur Sakristei Platz fand, bis sie irgendwann ganz verschwand. Als Pfarrer Koller 1905 nach Großweingarten kam, war sie bereits verschwunden und er kannte sie nur aus Beschreibungen in alten Aufzeichnungen. In den zwanziger Jahren besuchte Pfarrer Koller seinen Amtsbruder Pfarrer Böck, der Ende des 19. Jahrhundert Pfarrer in Großweingarten war. Zu seinem Erstaunen fand er in dessen Wohnung diese Muttergottesstatue vor, die sofort als die verschollene Großweingarter Madonna erkannte. Pfarrer Böck gestand, die Madonna seinerzeit auf dem Dachboden des Weingarter Pfarrhauses gefunden zu haben und sie daraufhin der Gemeinde Großweingarten, die Eigentümer des Pfarrhauses war, für 100 RM abkaufte. Pfarrer Koller missbilligte diesen Handel, denn die Statue war immer im Besitz der Kirche und die der Gemeinde, so dass diese die Statue gar nicht verkaufen konnte. Pfarrer Böck nahm sich dies zu Herzen und vermachte die Statue in seinem Testament der Großweingarter Kirche. Nach dem Ableben Pfarrer Böcks in Eichstätt fuhr Pfarrer Koller persönlich nach Eichstätt und holte die Madonna zurück in die Großweingarter Kirche, die sie bis heute nicht mehr verließ.
Die 14 Kreuzwegbilder an den Seitenwänden wurden 1761 vom Maler Baader aus Eichstätt geschaffen, stammten also aus dem Rokoko. Sie wurden von Weingarter Bürgern der Kirche gestiftet.
Im hinteren Teil des Kirchenschiffes sind an den Kirchenbänke zwei barocke Tragestangen aus der Jahrhundertwende vom 17. zum 18. Jahrhundert mit Figuren der heiligen Anna und dem Erzengel Michael. Diese Tragestangen wurden in früheren Zeiten an den Prozessionen mitgeführt.
Im hinteren Teil der Kirche befindet sich der Taufstein, der Anfang des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil entstanden ist.
Am Aufgang der Empore steht ein frühbarocker Opferstock, dem die typischen barocken Formen noch fehlen. Die Inschrift auf der Säule verrät in eigenartiger Orthografie das Enstehungsjahr: „IN 1616 BIN ICH DEMACHT WORDEN“.
An den Wänden der Empore finden sich ein Bildnis des „Tod des heiligen Josef“, 1730 von Maler Muhrmann als Kopie des Burgmillergemäldes, das in der Schutzengelkirche in Eichstätt hängt, sowie drei weitere Gemälde mit Passionsszenen.
5. Empore und Orgel
Das Gestühl auf der Empore ist so einzigartig, dass es im Bistum Eichstätt nur noch einmal zu finden ist. Es steht daher unter strengem Denkmalschutz. Als 2006 geplant wurde, das Gestühl der Empore zur Platzschaffung für den Kirchenchor zur verändern, wurde dies vom Landesdenkmalamt strikt verboten.
Die Balustrade der Empore war ursprünglich ein Gitter, durch das hindurch der Blick auf das Kirchenvolk im Hauptschiff möglich war. Nun wurde es Gewohnheit, dass sich die auf der Empore befindlichen Jungmänner und die im Hauptschiff befindlichen Jungfrauen die offensichtlich nicht immer fesselnden Predigten des Pfarrers damit zu überbrücken, indem sie untereinander innigliche Blicke tauschten. Irgendwann wurde dies dem Pfarrer zu bunt, und er ließ die Balustrade erhöhen und mit nicht mehr durchschaubaren Tafeln verkleiden, so dass das „unschickliche Betragen“ der jungen Leute während der Messe unterbunden wurde.
Die erste Orgel wurde 1813 im Zuge der Erhebung Großweingartens zur eigenen Pfarrei angeschafft. Es handelte sich damals um ein gebrauchtes Instrument aus einer der Spalter Kirchen. Diese Orgel versah ihren Dienst in der Großweingarter Kirche fast 90 Jahre. Im Jahr 1901 wurde letztlich eine neue Orgel vom Orgelbauer Büttner aus Eichstätt gekauft. Dieses Vorhaben war nur durchführbar, weil es durch das Kgl. Bay. Kultusministerium großzügig bezuschusst wurde. Und auch das war kein Zufall. Der damalige bayerische Kultusminister hieß Dr. Robert Ritter von Landmann war 1845 als Sohn des Großweingarter Revierförsters Landmann im Großweingarter Forsthaus geboren worden. Zeit seines Lebens hielt Dr. Ritter von Landmann Kontakt zu seiner Heimatgemeinde und war besorgt um deren Wohlergehen.
6. Zusammenfassung
Die Sankt Michaels-Kirche entstand Mitte des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich auf der Stelle eines vorherigen Kirchenbaus aus Holz. Die Kirche wurde im Lauf der Jahrhunderte ständig erweitert, umgebaut und mit neuen Kunstschätzen ergänzt. Alle Veränderungen wurden im zurzeit praktizierten Kunststil durchgeführt. So sind in der Kirche Elemente der Romanik, Gotik, Renaissance, Barock, Rokoko, Klassizismus, Romantik, Neugotik bis hin zur Moderne zu entdecken.
Der 2006 im modernen Kunststil geschaffene und in unserer Kirche aufgestellte Volksaltar erzeugte viele kritische Stimmen, da er nicht zu den altehrwürdigen Kunstschätzen passe. Es wird dabei allerdings übersehen, dass dieses moderne Kunstwerk einen weiteren Meilenstein in der jahrhundertelangen Entwicklungsgeschichte unserer Kirche darstellt. So handelt es sich also nicht um einen Stilbruch, sondern um einen von vielen bleibenden sichtbaren Monumenten in der geschichtlichen Entwicklung der St. Michaels-Kirche in Großweingarten.
Das Besondere und Reizvolle an der Kirche sind aber die zahlreichen Engelsdarstellungen in den Gemälden und Statuen. An allen Stellen der Kirche wird deutlich, dass sich der Besucher in einer Engelskirche befindet. Möge diese Engelskirche uns und unseren Nachfahren noch viele Jahrhunderte erhalten bleiben.
Josef Arnold
Im Advent 2013 geschrieben zum 200-jährigen Jubiläum der Pfarrei St. Michael in Großweingarten
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